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Jens Kirchhoff

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Kritischer Beitrag zur Coaxialhemmung

In einem Leserbrief im Uhrenmagazin 6/2002 S.88 wurde und wird von mir immer noch behauptet, dass die Coaxialhemmung von Sir George Daneils, patentiert unter EP 0018796 , zu einem erheblichen Teil auf Erfindungen von Charles Fasoldt zurückgreift. Es handelt sich um eine Weiterentwicklung mit wichtigen neuen Details, die alleine eine Erfindungshöhe für Patenterteilung rechtfertigen. Leider wurde aber der Stand der Technik von Fasoldt im Patent nicht erwähnt, sondern auch für dessen gesamte alte Konstruktion Patentschutz beantragt .... und erteilt.

Fasoldt1
Coaxial2

Charles Fasoldt, so schreibt man im Cooksey-Shugart-Katalog, war gebürtiger Dresdener, der Mitte des 19. Jahrhunderts in die USA über Rom und New York nach Albany fand und sich dort niederließ. 1859 bzw. 1865 soll das Patent für eine Chronometerhemmung mit doppeltem Hemmrad erlangt worden sein. Der genannte Vorteil lag in der Robustheit, der Verhinderung des „Gallopierens(Die klassiche Chronometerhemmung gibt aufgrund ihrer Reibungsarmut so viel Impuls in die Unruh, dass sie über 360° dreht und im überdrehten Zustand einen neuen Impuls auslöst.) und dem Verzicht auf eine Ölung der Paletten. Angeblich soll die Robustheit auf eine waghalsige Probe gestellt worden sein: Fasoldt ließ seine Uhr mit denen der Wettbewerber an der Antriebsstange einer Lokomotive mitfahren. Die Uhr hielt als einzige durch, zeigte sogar nur wenige Minuten Zeitabweichung.

Doch nun zur Technik, wie sie in den Grafiken gezeigt wird. Die Fasoldt hat das doppelte Hemmrad und einen Anker mit drei Steinen. Nur Palette 2 bzw. das kleinere Rad gibt einen Impuls an die Unruh zurück. Dies geschieht auf dem Wege der Halbschwingung rechts herum (siehe Grafik!), sobald Palette 3 aus der Ruhestellung ausgehoben wird. Die Schräge auf dieser Palette 3 dient keiner Hebung bzw. dem Zug zum Antrieb sonder bleibt frei. Weitgehend tangential wird Palette 2 getrieben, so dass kaum Reibung auftritt, welche Öl erfordern würde. Der Impuls wird beendet durch das Einfallen der Palette 1 in das Ruherad, und zwar noch in der Rechtsdrehung der Unruh. Auf dem Rückschwung der Unruh links herum wird lediglich der Anker wieder in Grundstellung (rechts herum) gedreht, wobei Palette 1 öffnet, aber Palette 3 anschließend sofort wieder rastet und die Ruhestellung vorgibt. Palette 2 stand hinter der Zahnspitze frei und dreht mit … genau vor die Antriebsfläche des nächsten Zahnes. Wahrscheinlich war es heikel, hier ein möglichst kleines Spiel einzustellen bei den damaligen Teilungstoleranzen. Denn die Palette 2 soll gerade noch nicht berühren, da sie ja – von Palette 3 abgehalten – nur in Wartestellung für den nächsten Impuls bleibt. Der Rückschwung ist also ohne Antrieb und verbraucht (Reibungs-)Energie, die aber wegen des Leerlaufes vermutlich nicht groß sein wird.

Bei der Koaxialhemmung nach Daniels ist zunächst der Grundaufbau nach Fasoldt wiederzuerkennen, wenn man von unterschiedlichen Zahnformen der Räder (nicht mal im Patent s.u.) einmal absieht. Insoweit übernehmen die Paletten 1 bis 3 dieselbe Funktion. Genial und neu ist jedoch die Nutzung des Rückschwungs zu einem weiteren Impuls direkt auf die Unruh. Von der Chronometerhemmung ist dieser Antrieb bekannt, wo interessanterweise auch nur eine Halbschwingung genutzt wird und die Uhr gigantisch genau geht (nach damaligem mechanischem Standard der Serientaschenuhren, genannt: Taschenchronometer). Um mit dem Impulsstein 4 der Unruh nahe an das große Rad heranzukommen, muss der Ankereingriff (Gabel) seitlich (lateral) erfolgen. Dieser Kniff ist schon seit dem 18.Jahrhundert aus der Frühentwicklung der freien Ankerhemmung bekannt (siehe z.B.: „Taschenuhren“ von Reinhard Meis). Der Gabelschaft bleibt lediglich zur Ausschlag-Begrenzung an den Stiften erhalten. Mit der Linksdrehung der Unruh, welche bei Fasoldt nur zur Rückführung in die Anfangsstellung genutzt wird, erfolgt bei Daniels ein weiterer tangentialer Impuls direkt auf die Unruh. Dazu wird das große Rad genutzt, welches nun also nicht mehr nur Ruherad ist. Die Abstimmung der Geometrie von Palette 4 und den Zähnen für einen spiel- bzw. prellfreien Impuls und für den freien Rückschwung in der Zahnlücke waren sicher eine schwierige Arbeit und verdienen hohen Respekt.

Daniels schreibt in seinem Buch “Watches” 1965 S.123 über die Konstruktion von

Fasoldt

An interesting and rarely seen variant of the lever escapement is that shown in figure 65. The two locking stones engaging the large escape-wheel and mounted on the lever serve the same purpose as those of the Robin, but the impulse is delivered to the balance by the smaller impulse-wheel acting upon the stone seen engaged by a tooth of the wheel. Turning the balance anti-clockwise would withdraw the exit stone allowing the impulse to be delivered. The inertia losses in the escapement are high and the action is correspondingly weak. At the time of its production in the last years of the nineteenth century the lever escapement held a position of great supremacy for pocket timekeepers and this position was undisturbed by Fasoldt's escapement. The watches are beautifully made and were a brave if undistinguished attempt to introduce a little variety into escapements which, by that time, had inevitably settled into a pattern of dull uniformity .

Die Funktion war ihm also lange bekannt, wie auch der Vorteil der ölfreien Paletten. Irritiert  ist man über die Kritik an hohen “Trägheits”-verlusten in der Hemmung bzw. nur kleinen Amplituden. War die Gallopiergefahr gebannt? Wird der zusätzliche Daniels’sche Impuls nicht das Galoppieren wieder verursachen? Oder gleicht er mehr oder weniger die zusätzliche Reibung des erweiterten Ankers aus? Die Gangwerte der modernen Omega-Uhren weisen jedenfalls keinen signifikanten Sprung hin zu höheren Ganggenauigkeiten. Hervorragend ausgeführte und regulierte ETA 2892-A2-Werke schaffen Gleiches oder Besseres, womit die Daniels’sche Analyse für Fasoldt oben, dass die Ankerhemmung das Maß der Dinge bleibt, auch heute noch gültig ist. (Über Schönheit bzw. interessantes Werkdesign wird hier nicht gesprochen.). Die Ölfreiheit der Paletten wird vermutlich ein leicht stabileres Langzeitverhalten der Ganggenauigkeit ermöglichen. Aber auch alle anderen geölten Wellen müssen nach gleich kurzer Zeit (2 Jahre?) gereinigt werden.

Coaxial-Patent-7
Coaxial-Patent-6

Sir Daniels beantragt und erhßlt Patentschutz für die Gesamte Konstruktion, obwohl nur nur neu sind:

die laterale Anordnung des Eingriffs der Unruhwelle,
eine zusätzliche Impulspalette auf der Unruhwelle.

EP0018796  CLAIMS

1. A detached escapement comprising a toothed escape wheel (10;30) urged to rotate in a single direction by a mainspring and intermittently held against rotation by a pivoted lever (14;37), and a balance wheel arranged to be oscillated  by a balance spring, interengaging means (18,25;35,38) between the balance  wheel and the lever whereby during each movement of the balance wheel the  lever is pivoted to release the escape wheel to move through half a tooth,  during which movement of the escape wheel the balance wheel receives an impulse  from the escape wheel, characterised in that during each movement of the balance wheel in one direction of rotation the impulse is appled direct to an element (25;33) attached to the balance wheel.

Ich bedaure sehr, dass eine unbestritten große Uhrmacherpersönlichkeit den Fasoldt’schen Erfindergeist mit Nichtachtung strafte und hieraus auch noch persönlichen Vorteil zog. Über das Europäische Patentamt kann man sich nur wundern.

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